Stellungnahme der KURVE Wustrow

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Stellungnahme der KURVE Wustrow

Nein zu Krieg und Aufrüstung!

Ja zu Friedensförderung und sozialer Verteidigung!

Am 24. Februar 2022 hat Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen. Seitdem folgten zahlreiche weitere Verstöße gegen das Völkerrecht - tausende Menschen sind tot oder verwundet, mehr als vier Millionen Menschen sind in und außerhalb der Ukraine auf der Flucht. Wir verurteilen den Angriff Russlands aufs Schärfste. Wir sorgen uns um die Menschen in der Ukraine, insbesondere um unsere Partnerorganisationen und um die Aktivist*innen in der ukrainischen Zivilgesellschaft, die sich seit Jahren für sozialen Wandel und gegen Gewalt einsetzen. Wir stellen uns solidarisch an ihre Seite, unterstützen sie nach Kräften und verschaffen ihren Stimmen Gehör.

Wir appellieren an alle Seiten: Nein zum Krieg!

Wir fordern die russische Führung auf, sofort alle Angriffe einzustellen, die eigenen Truppen nicht nur aus der Ukraine, sondern auch von den Grenzen zur Ukraine zurückzuziehen, und die territoriale Integrität und die Souveränität der Ukraine[1] anzuerkennen.

Wir sind in dieser verzweifelten Lage solidarisch mit der ukrainischen Bevölkerung und Zivilgesellschaft und wollen sie mit allen gewaltfreien Mitteln bei der Abwehr dieses Angriffs auf ihre Selbstbestimmung unterstützen. Im Angesicht der massiven militärischen Invasion erkennen wir an, dass wir den Menschen militärischen Widerstand zur Selbstverteidigung nicht absprechen können.

Gleichzeitig bestärken wir die ukrainische Bevölkerung, sich wo immer möglich mit gewaltfreien Methoden durch zivilen Widerstand zu widersetzen. Mit größtem Respekt sehen wir, dass es Menschen in der Ukraine gibt, die sich im Sinne sozialer Verteidigung[2] auf die Straßen begeben: Unbewaffnete Menschen stellen sich Panzern entgegen, um das russische Militär davon abzuhalten, in ihre Stadt einzudringen. In vielen Städten unter russischer Besatzung demonstrieren Menschen vor bewaffneten Soldaten für eine freie Ukraine. Dieses Vorgehen erfordert viel Mut und Zivilcourage und es zeigt Möglichkeiten von gewaltfreiem Widerstand auf. Historische Erfahrungen belegen, dass ein solcher gewaltfreier Widerstand effektiver[3] sein kann als militärische Mittel.

Wir rufen die russische Bevölkerung und die russischen Soldat*innen auf, jeden Gehorsam gegenüber den Kriegshandlungen ihrer Regierung zu verweigern, gewaltfreien Widerstand zu leisten und sich für eine demokratisch legitimierte russische Regierung einzusetzen. Wir sind solidarisch mit denen, die sich den Kriegshandlungen der russischen Regierung verweigern und mit denen, die sich trotz Repressionen öffentlich gegen den Krieg positionieren. Wir fordern Asyl in der EU für alle Deserteure.

Wir appellieren an die Bundesregierung: in Frieden statt in Krieg investieren!

Wir fordern die deutsche Bevölkerung und die Medien auf, sich ihrer historischen Verantwortung entsprechend zu verhalten. Dies bedeutet, sich der Lehre „Nie wieder Krieg!“[4] bewusst zu bleiben, weiterhin Solidarität mit der vom Krieg betroffenen ukrainischen Zivilgesellschaft und der protestierenden russischen Zivilgesellschaft zum Ausdruck zu bringen und Feindbilder abzubauen statt zu verstärken. Unsere Anstrengungen für Deeskalation, Verständigung und Frieden dürfen jetzt nicht nachlassen!

Die Entscheidungen der Bundesregierung für eine massive Aufrüstung und für den Richtungswechsel der Außenpolitik sind fatal – sie können die Eskalationsspirale beschleunigen. Ein Aufrüstungsprogramm bringt weder Frieden in der Ukraine, noch langfristige Sicherheit in Europa. Eine Veränderung des Denkens in den Kategorien militärischer Macht ist dringend notwendig: Frieden und menschliche Sicherheit können dauerhaft nur durch eine konsequente, auf allen Ebenen umgesetzte Friedenslogik erreicht werden, die letztlich militärische Verteidigungsbündnisse obsolet macht. Frieden ist nur mit Abrüstung möglich. Gewaltfreiheit und friedliche Konfliktlösung müssen zum Kern des Völkerrechts werden.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf, auf allen Ebenen und insbesondere im Rahmen der EU und der NATO, alle gewaltfreien Instrumente wie z.B. wirtschaftliche Sanktionen zu nutzen und Verhandlungen für eine europäische Friedensordnung aufzunehmen.

Und wir fordern die Bundesregierung auf, in Demokratie- und Friedensförderung zu investieren anstatt in Aufrüstung.

Wir brauchen eine Politik, die die Weichen stellt für ein zukunftsfähiges, friedliches und nachhaltiges Europa. Ein Europa, das Verantwortung übernimmt für die eigene Beteiligung an globalen Konflikten und Ausbeutungsverhältnissen. Ein Europa, das sich solidarisch verhält mit allen Menschen, die von diesen Verhältnissen betroffen sind.

Unser Platz als KURVE Wustrow – Bildungs- und Begegnungsstätte für gewaltfreie Aktion e.V. ist an der Seite unserer Partnerorganisationen, an der Seite der Opfer dieses Krieges und an der Seite derer, die vor Ort zivilen Widerstand leisten.

Unser Platz ist auch an der Seite all derer, die sich gegen Militär und Krieg engagieren, weil die Militarisierung Milliarden kostet und wertvolle Ressourcen beansprucht. Sie trägt aktiv zur Klimakatastrophe bei und vergrößert weltweite Ungleichheit und Armut.

Unser Platz ist überall da, wo es darum geht, militärische Sicherheit in menschliche Sicherheit zu verwandeln und den Weg von einer militärischen Sicherheitslogik zu einer umfassenden Friedenslogik einzuschlagen.

Wustrow, den 15.03.2022

[1] Zur Begründung „Territorialer Souveränität“ hat der kenianische UN-Botschafter Martin Kimani in der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats am 22.02.2022 eine afrikanische Perspektive auf die Anerkennung der Regionen Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten dargestellt: https://taz.de/UN-Rede-zu-Russland-Ukraine-Konflikt/!5833849/

[2] Soziale Verteidigung ist ein Konzept für einen gewaltfreien zivilen Widerstand, der eine Gesellschaft wirksam gegen einen militärischen Überfall von außen, aber auch gegen einen gewaltsamen Staatsstreich von innen schützen soll. Eine Gesellschaft, die Soziale Verteidigung praktiziert, kann sich damit gegen verschiedene Risiken schützen und auf militärische Verteidigung verzichten: https://www.soziale-verteidigung.de/denn-eigentlich-soziale-verteidigung

[3] Die Effektivität von gewaltfreien Bewegungen und zivilem Widerstand wurde von Erica Chenoweth und Maria J. Stephan in der Studie „Why Civil Resistance Works“ ausführlich erläutert und belegt: https://www.ericachenoweth.com/research/wcrw

[4] Esther Bejarano, Überlebende des Holocausts, ermahnte uns bis zu ihrem Tod im Juli 2021 nicht zu vergessen. Sie ging als Zeitzeugin an Schulen und auf Camps der Friedensbewegung. Zusammen mit der Band Microphone Mafia trat sie bis zuletzt unter dem Motto „Nie wieder Krieg“ auf: https://www.youtube.com/watch?v=gdoghdUWLm0