Voll Fassungslosigkeit und Entsetzen blicken wir auf die militärische Eskalation im Sudan. Wir sorgen uns um die Menschen im Sudan, insbesondere um unsere Partnerorganisationen und um die Aktivist*innen in der sudanesischen Zivilgesellschaft. Sie setzen sich seit Jahren trotz Repressionen mutig für eine zivile demokratische Regierung und gegen Gewalt ein. Wir stellen uns solidarisch an ihre Seite, unterstützen sie nach Kräften und versuchen ihren Stimmen Gehör zu verschaffen. Ihre zentralen und dringendsten Forderungen sind: ein sofortiger und umfassender Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien und die Einrichtung humanitärer Korridore innerhalb der Städte und aus den Städten heraus ungehinderter Zugang für humanitäre und medizinische Organisationen aus dem In- und Ausland sowie medizinische Versorgung und Versorgung mit Lebensmitteln die Beendigung jeglicher politischen Legitimierung und Unterstützung – militärisch, geheimdienstlich, finanziell oder anderweitig - der zwei Kriegsparteien im Sudan Das Geschehen Am Morgen des 15. April 2023 erreichten uns die Nachrichten unserer Partnerorganisation Bana Group for Peace and Development und unserer Koordinatorin Fetlework Seifu aus Khartoum. Sie berichteten, dass auf den Straßen in ihrem Stadtviertel gekämpft wird. Schnell war klar, dass diese Kämpfe sich in der gesamten Stadt abspielen. Seit Monaten war die Lage zwischen den zwei Generälen angespannt. Sie hatten im Herbst 2021 mit einem gemeinsamen Coup den Demokratisierungsprozess im Sudan vorerst gestoppt. Streitpunkt war die Integration der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) in die sudanesische Armee (SAF). Nun wird dieser Machtkampf mit offener Gewalt ausgetragen. SAF und RSF bekämpfen sich mit allen Mitteln, mit Panzern und Kampfjets, auch in der Hauptstadt inmitten von Wohnvierteln und ohne Rücksicht auf Zivilist*innen. Sie sind seit einer Woche praktisch in ihren Häuser eingeschlossen: Sowohl unsere Sudan-Koordinatorin in Khartoum als auch die Mitarbeiter*innen unserer Partnerorganisation Bana mit ihren Familien sowie Millionen andere. Die Versorgung ist vielerorts knapp. Aus vielen Landesteilen gibt es ebenfalls Berichte über Kämpfe, Menschen auf der Flucht, Tote und Verletzte. Die Lage wird täglich desaströser und zum Zeitpunkt heute, am 7. Tag der Kämpfe, gibt es noch immer keine Aussicht auf ein Ende oder auch nur eine Pause. Eine zweite Friedensfachkraft der KURVE Wustrow befand sich zu dem Zeitpunkt bereits außer Landes und ist mittlerweile nach Deutschland zurückgekehrt. Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) Doch nicht nur die katastrophale Dimension von Kämpfen, Tod und Leid ist erschütternd, sondern auch, was darüber hinaus zerstört wird: die Hoffnungen und Perspektiven, die jahrelange Arbeit für Frieden und Demokratie, die Wünsche hunderttausender engagierter Menschen im Sudan für politischen Wandel und Partizipation. Denn die maßgeblich von Frauen getragene Revolution auf den Straßen führte 2019 zum Sturz der jahrzehntelangen Militärdiktatur Al-Baschirs. Seitdem sind die Demonstrationen nie abgerissen. Aktivist*innen engagierten sich für die politische Beteiligung, für den Übergang zur Demokratie und für Frieden im Sudan. Frauen sind zivilgesellschaftlich gut organisiert, aber auf den politischen Entscheidungsebenen kaum präsent. Unsere Partnerorganisation Bana Network for Peace and Development, ein Netzwerk von Aktivistinnen aus unterschiedlichen Landesteilen, setzt sich insbesondere für die Beteiligung von Frauen und marginalisierten Menschen ein und hat intensiv auf einen partizipativen Prozess des politischen Wandels hingearbeitet. Trotz großer Herausforderungen gab es Fortschritte und hoffnungsvolle Entwicklungen. Hintergrund Die Akzeptanz des Coups im Oktober 2021, der den Übergangspräsidenten Hamdok absetzte und große Errungenschaften der Demokratiebewegung zerstörte, ließ das Vertrauen in den durch die UN-Mission UNITAMS sowie die regionale Vernetzung ostafrikanischer Staaten IGAD und die Afrikanische Union begleiteten Demokratieprozess schwinden. An der Spitze des Staates standen nun zwei Männer, die selbst jahrzehntelang Kämpfe gegen Teile der eigenen Bevölkerung angeführt hatten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord begangen hatten. Dieser Krieg ist kein Bürgerkrieg, denn die große Mehrheit der Sudanes*innen unterstützt keine der beiden Parteien. Sie machen sowohl das Regime von al-Bashir als auch SAF und RSF inklusive ihrer Unterstützer im Ausland für den jahrzehntelangen völkermörderischen Krieg in Darfur, Süd-Kordofan und Blue Nile und für das Abbrechen des Weges zur Demokratie im Jahr 2021 verantwortlich. Sie sehen sie verantwortlich für die Militarisierung der Städte und des Landes sowie die Ermordung friedlicher Demonstranten, einschließlich des Massakers von Khartum am 3. Juni 2019. Sie sind auch überzeugt, dass in einem Land, in dem fast 80 % des Staatshaushalts in die Verteidigung fließen, die Korruption von SAF und RSF ein wichtiger Grund dafür sind, dass so viele Millionen Sudanes*innen in Armut leben. Die große Mehrheit der Sudanes*innen will vor allem eine Beendigung des Krieges und endlich zivile Kontrolle über den Staat. Die Demokratiebewegung warnte davor, den Männern an der Spitze von SAF und RSF zu trauen. Sie hatten Recht. Die KURVE Wustrow drückt ihren Schmerz über diesen Gewaltausbruch aus, über den Verlust von Menschenleben, von Errungenschaften und Perspektiven. Wir solidarisieren uns mit der sudanesischen Zivilgesellschaft, die weiterhin für Gewaltfreiheit einsteht und ihren Forderungen nach einem Ende der Kampfhandlungen, Auflösung der Paramilitärs sowie Reform des Militärs, Rechenschaft und einer zivilen demokratisch gewählten Regierung für den Sudan. Wir solidarisieren uns mit den unschuldig Betroffenen dieser Gewalt, mit allen Menschen, die Furcht um ihr Leben und das ihrer Angehörigen erleiden müssen, die Menschen verloren haben und mit all jenen, deren Arbeit und Engagement gerade einen neuen schweren Rückschlag erleiden und deren Hoffnungen in Trümmern liegen. Demos in mehreren Städten, organisiert von Sudanes*innen im Exil: Berlin: Stoppt den Krieg im Sudan jetzt! Fr 28. April 2023 ab 15 Uhr. Vor dem Auswärtigen Amt. https://www.facebook.com/SudanUprisingGermany Mehr zu unserer Zusammenarbeit mit den Frauen von Bana im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes Spende für die Notfallunterstützung besonders gefährdeter Gruppen im Sudan!