gedenkstättenfahrten

Vom 14.-18. April 2022 sind wir mit einer 15-köpfigen Gruppe von größtenteils jungen Erwachsenen aus Salzwedel, Jena und Berlin nach Oświęcim gefahren und haben das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz besucht. Dieser Bericht ist der Versuch, eine Reise, die mich tief bewegt und von der ich finde dass alle Menschen sie machen sollten, in "ein paar beschreibende Worte" zu fassen. Ich fürchte, dass mir dies nicht gelingen wird, denn wie soll ich etwas beschreiben, das in seiner Durchgeplantheit industriell, in seiner Abgespaltenheit schizophren und in seinem Grauen unfassbar ist? Ich versuche es dennoch - und ich bitte um Rückmeldung!

Die Reise war vom BMFSFJ und von der IBB gGmbH als Zentralstelle für Gedenkstättenfahrten finanziert und als selbstorganisierte Veranstaltung stark von den Teilnehmenden mitgeprägt. Es gab einen Programmvorschlag, den wir bei einem Vorbereitungstreffen gemeinsam diskutiert und angepasst haben.

Von Gründonnerstag bis Ostermontag haben wir in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Auschwitz / Oświęcim übernachtet. Die IJBS schreibt in ihrer Mission:

"Die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz ist eine außerschulische Bildungseinrichtung, die von der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V. und der Stadt Oświęcim mit Unterstützung ehemaliger Häftlinge des KL Auschwitz begründet wurde.

Die IJBS setzt sich auf der Grundlage historischer Fakten für die Aufrechterhaltung des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust ein.(...)"

Vor diesem Ort aus haben wir am Freitag das Stammlager I von Auschwitz besucht und hier eine ausführliche Führung durch die Baracken und Ausstellungen erhalten. Am Nachmittag erhielten wir eine Stadtführung, auf der wir auch Spuren jüdischen Lebens gefolgt sind.

Am Samstag besuchten wir den Vormittag über das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wir hatten dieselbe Person als Guide, die uns auch schon im Stammlager begleitet hat. Sie brachte uns diesen unbegreiflichen Ort durch Details und Zitate von Überlebenden näher und gab uns Zeit, die Geschehnisse auf uns wirken zu lassen.

Am Sonntag erhielten wir die Möglichkeit, die Bilder des KZ-Überlebenden Marian Kołodziej im Franziskaner-Kloster in Harmęże (ein kleiner Ort direkt neben Auschwitz) zu sehen. Unter dem Titel "Negatives of a Memory. Labyrinths" hat er seine mehrjährige Gefangenschaft in Auschwitz-Birkenau in detaillierten Zeichnungen dokumentiert. Die Bilder zeigen die Menschen, die Birkenau durchgemacht und nicht überlebt haben.

“I built Auschwitz because I arrived there in the first transport. It was also true that for almost fifty years I did not speak about Auschwitz. But nevertheless throughout that whole time Auschwitz was present in everything I did.” - Marian Kołodziej

Die Abende haben wir damit verbracht, darüber zu sprechen, was uns vom Tag bewegt - und wir haben Filme geschaut über den Aufstand im Warschauer Ghetto sowie über die jüdische Partisanengruppe der Bielski-Brüder im damaligen östlichen Polen.

Jeder Teil dieser Reise hat den vorhergehenden Aspekt vertieft und um viele Dimensionen erweitert. In den Runden am Abend wurde mir immer wieder deutlich, dass wir alle unterschiedliche Dinge im Fokus haben - die einen finden das frühlingshafte Vogelgezwitscher unaushaltbar, die nächsten nehmen die ausgetretene Schwelle wahr, anderen fällt der immer noch vorhandene Geruch der Latrinen auf. Hinzu kommen all die vielen Dinge, die wir noch nicht gelesen oder gehört haben und all die Erfahrungen, von denen wir noch nicht wissen.

Ich bin von der Reise zurückgekehrt mit der Frage, wie sich meine politische Arbeit verändern muss, jetzt wo Auschwitz noch so viel stärker in mir wirkt als davor. Darüber möchte ich mit anderen Menschen ins Gespräch kommen, die Auschwitz besucht haben und die sich diese Frage ebenfalls stellen.

Und ich muss mich immer wieder an das Bild in der Jugendbegegnungsstätte erinnern, auf dem steht:

"Wer Auschwitz begreifen will, hat nichts begriffen."

Wir planen, auch in Zukunft Gedenkstättenfahrten nach Oświęcim / Auschwitz für junge Erwachsene unter 27 Jahren aus der Region anzubieten und freuen uns auf reges Interesse daran, sich mit anderen politisch Interessierten auf diese Reise zu begeben.

Joel Campe (jcampe [at] kurvewustrow [dot] org (Kontakt))

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